Der Abriss des Haeslerbaus Speicherstraße 25 - eine unglaubliche Provinzposse
Bei einer Radtour am Sonntag, 28. März, musste festgestellt werden, dass der denkmalgeschützte Haeslerbau, Speicherstraße 25 in Celle, eingerissen worden ist. Der Fabrikbau, den der bekannte Architekt Otto Haesler 1924 für die Wachswarenfabrik Schmidt errichtete, ist ein ganz besonderer Haesler-Bau. Denn hier verbindet der Architekt den Kubus einer klassischen Fabrikhalle mit weiteren, unterschiedlich großen Kuben zu einem neuen Gefüge – ein Prinzip, das wenig später in Haeslers Siedlung „Italienischer Garten“ in Celle (Bauantrag Ende 1924) weltberühmt wurde. Simone Oelker schreibt in ihrer Haesler-Biografie (Simone Oelker : Otto Haesler – Eine Architektenkarriere in der Weimarer Republik, München 2002, S. 286): „Der Fabrikbau entstand zu einem Zeitpunkt, als Haesler den zweiten Entwurf für seine Siedlung Italienischer Garten entwickelte. Die Kombination verschieden hoher Kuben erprobte Haesler mit diesem Fabrikbau, der damit zu einem Schlüsselwerk für seinen Weg zur Moderne wurde.“
Die ohi (otto haesler initiative) ist damit an die Presse gegangen. 2 Tage dauerte es, ehe die Stadt in einer Pressemitteilung (30.3.) verkündete, dass sie selbst in Abstimmung mit der oberen Denkmalschutzbehörde die Abrissgenehmigung erteilt hat. Erst später gibt sie zu, dass dies schon am 9. März geschah – am 10. März wurde der vordere Teil des Hauses demoliert.
Da die ohi gleichzeitig die Fachaussicht beim niedersächsischen Wissenschaftsministerium eingeschaltet hatte, ruhten die Arbeiten erstmal. Die Fachaufsicht konnte bei Aktendurchsicht keine formalen Fehler beim Verfahren erkennen. Die ohi betonte aber in einer Pressemitteilung vom 7. April, dass ihre Stellungnahme zur Abrissgenehmigung der Stadt keinesfalls ein Sieg für die Abrissbefürworter: „Denn die Pressemitteilung der Stadt darüber (7.4.) lässt leider wichtige Teile des Schreibens der obersten Denkmalbehörde einfach weg. Die Fachaufsicht sieht keine Mängel bei den Verfahrensschritten. Sie weist aber ausdrücklich darauf hin, dass es aus Sicht des kulturellen Erbes wünschenswert wäre, wenn das Objekt dennoch erhalten und in Stand gesetzt wird, da ihm im Werk Otto Haeslers eine hohe Bedeutung zukommt, dokumentiert es doch seinen Übergang zum neuen Bauen.“ Die ohi forderte deshalb einen Ratsbeschluss, um den Willen der Stadt festzuhalten.
Viele positive Initiativen sind seitdem in Gang gekommen. Die Gruppierung „Zukunft Celle“ im Celler Stadtrat, die in diesem Stadtteil (Neuenhäusen) sehr gut vernetzt ist, fordert: „wie die Otto Haesler Initiative, dass der Rat der Stadt Celle die Entscheidung über den Abriss des denkmalgeschützten Fabrikgebäudes von Otto Haesler sofort an sich zieht, dadurch den Erhalt des Gebäudes im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung ermöglicht sowie das kulturelle Erbe Otto Haeslers wertschätzt“, ergänzt Ute Rodenwaldt-Blank, und ergänzt: “Was passiert nach der Mustersanierung im Blumläger Feld – sticht auch hier Wirtschaftlichkeit Denkmalschutz?“
Es gab Hinweise aus der SPD, dass ein Bebauungsplan für das Gebiet noch fehlt, obwohl er längst überfällig ist. „Hier stellt sich nun die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage der knapp gestoppte Abriss erfolgen sollte“, fragt Patrick Brammer, Fraktionsvorsitzender, nach und ergänzt: „Die SPD-Fraktion hat die Stadt gebeten, die Zusammenhänge zu erläutern.“ Joachim Schulze (SPD) hat zudem eine Sondersitzung des Vorstandes der städtischen Otto Haesler Stiftung beantragt.
Bei der Ratsfraktion der Grünen stieß der begonnene Abriss „auf Unverständnis und heftigen Widerspruch“. 2019 habe man im Bauhausjahr auch in Celle das „Neue Bauen“ von Otto Haesler gefeiert und zwei Jahre später „wird die 2011 unter Denkmalschutz gestellte Wachswarenfabrik plattgemacht. Die Begründungen der Stadt überzeugen nicht“, so der Fraktionsvorsitzende Bernd Zobel. Er kündigte an: “Wir werden den Vorgang tiefer durchleuchten und daher Akteneinsicht beantragen“.
Torsten Schoeps von der Wählergemeinschaft hat sofort im Rathaus nachgefragt. Joachim Falkenhagen (FDP) hat sich zumindest für die Informationen der ohi bedankt.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Wille hat sich informiert: „Nach Lage der Dinge lässt sich hier kein rechtswidriges Handeln der Stadtverwaltung erkennen, so sehr ich den Abriss auch bedauere.“ Ein Problem sei es seiner Meinung nach gewesen, dass dieses Gebäude in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so bekannt gewesen sei.
Allerdings hatte die Stadt in ihrer Pressemitteilung vom 7. April schon betont: „Nachdem das Land nunmehr der Auffassung gefolgt ist, kann der Eigentümer mit dem Abriss zeitnah fortfahren.“ Das wurde am 13.4.2021 dann auch von diesem umgesetzt.
Es bleiben viele offene Fragen:
1) Die Stadtverwaltung sieht die Abrissgenehmigung eines Baudenkmals als einen ganz normalen Akt der laufenden Verwaltung, so die Pressemitteilung, bei dem sie niemanden fragen muss. Dieses Arbeiten ohne Beteiligung der Öffentlichkeit und der Politik (und das unter Beteiligung der Bezirksdenkmalpflege) ist ein Teil des Problems, das man jetzt auch für die Zukunft lösen muss. Eine Konsequenz muss sein: Der Abriss eines Baudenkmals darf kein Akt der laufenden Verwaltung sein, hier muss die Öffentlichkeit eingeschaltet werden.
2) Dieses Gebiet am Ende Speicherstraße ist Teil der "Fortschreibung Rahmenplanung Allerinsel 2018" im Rahmen des Bundes-Förderprogramms Stadtumbau West. „Wesentlicher Bestandteil des Quartiers ist die Integration bestehender, erhaltenswerter Gebäude," heißt es in dieser von Rat beschlossenen Fortschreibung. Und dieser Haesler-Bau ist danach einer von drei historischen Bauten, die erhalten bleiben sollen. Der Abriss bedeutet, dass ein Drittel der historischen Bauten dieser Planung weggefallen ist. Und nicht nur das: Es bleiben von dem einstigen Arbeitsplatz Hafen nur Fabrikantenvillen übrig – ein Geschichtsverständnis wie in Kaisers Zeiten.
3) Warum hat die Stadtverwaltung den Abbruch nicht aufgehalten, wenn selbst aus dem Stadtrat heraus betont wird, dass es Klärungsbedarf bei vielen Fragen gibt. Bis jetzt hat man auch nicht den Eindruck, dass die Verwaltung gemerkt hat, dass sie hier völlig unangemessen gehandelt hat: Bisher gab es kein Wort, dass man Fehler eingesteht und diese für die Zukunft abstellt, und auch keine Entschuldigung.
Der Vorstand der otto haesler initiative
Carsten Maehnert, Dietrich Höper und Dietrich Klatt